08. April 2022
Bereits im September des letzten Jahres hat der Bundesverband rechtswissenschaftlicher Fachschaften e.V. (BRF) einen 5-PunktePlan zur Senkung des psychischen Drucks im Jurastudium veröffentlicht. Darin wurde unter anderem die Einführung der Möglichkeit, die praktische Studienzeit während der Vorlesungszeit abzuleisten, gefordert. Aufgrund der sehr geringen Resonanz seitens der Politik möchten wir nun dieser Forderung Nachdruck verleihen und abermals auf die schwierige Situation der Studierenden verweisen.
Bereits vor Corona beklagten Studierende den rivalisierenden Zugang zu den meist verpflichtenden Verwaltungspraktika. Tausende Studierende bewerben sich Semester um Semester um Verwaltungspraktika, um meist selbst nach dutzenden Bewerbungen Absagen zu erhalten.
Die Pandemie hat seither das Problem wiederum verstärkt: Jegliche Verwaltungen haben über Monate hinweg, wenige bis hin zu keine Plätze angeboten, zu kurzfristig abgesagt und Homeofficeoptionen waren oftmals aufgrund angeblicher bürokratischer Hindernisse für Studierende unmöglich.
Im Folgenden sollen daher zwei Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie die aktuellen Missstände behoben werden können.
Das deutsche Richtergesetz sieht vor, dass die praktische Studienzeit während der vorlesungsfreien Zeit abgeleistet werden muss (vgl. § 5a Abs. 3 S. 2 DRiG). Die vorlesungsfreie Zeit ist zumeist geprägt von weiteren Belastungen, die das Absolvieren der praktischen Studienzeit oftmals erschweren oder gar für einen gewissen Zeitraum des Studiums unmöglich machen. So sehen die Studienverlaufspläne in den vorlesungsfreien Zeiten zumeist die Anfertigung von Haus- bzw. Seminararbeiten vor, die ebenso wie die praktische Studienzeit Zulassungsvoraussetzung für die staatliche Pflichtfachprüfung sind. Dabei sehen einige Juristenausbildungsgesetze der Bundesländer, etwa in Baden-Württemberg oder künftig auch in Nordrhein-Westfalen, sogar fünf bis sieben solcher schriftlichen Arbeiten vor. Je nach Universität liegen zusätzlich auch die Klausuren in der vorlesungsfreien Zeit. Dies erschwert die Koordination der praktischen Studienzeit mit den universitären Anforderungen zusätzlich. Viele Studierende sind aus diesen Gründen gezwungen bis kurz vor der staatlichen Pflichtfachprüfung fehlende Praktika zu absolvieren und so gegebenenfalls ihr Examen zu Lasten des Freischusses gänzlich zu verschieben. Noch größer ist die Belastung für Studierende mit Kind oder pflegebedürftigen Angehörigen.
Die Bedenken, dass Studierende während ihres Praktikums den Vorlesungsbetrieb nicht besuchen würden, sind teils berechtigt. Für jene Studierende, die allerdings ein Interesse am Besuch des Vorlesungsbetriebs aufweisen, können qualitativ gleichwertige Teilzeit-Lösungen erwirkt werden, die eine Kollision mit den Vorlesungen verhindern. Studierende, die bereits jetzt den Besuch von Vorlesungen als für sich nicht förderliche Lernmethode eingeordnet haben, werden dies auch künftig so handhaben und sich weiterhin die Vorlesungsinhalte mittels Selbststudiums selbst erarbeiten.
Daher fordern wir eine Änderung des § 5a Abs. 3 S. 2 DRiG dahingehend, dass die praktische Studienzeit auch während der Vorlesungszeit absolviert werden kann. Dies ermöglicht den Studierenden nicht nur mehr Flexibilität in ihrer Studienplanung4, vielmehr würde dies eine stärkere Auseinandersetzung mit dem fachlichen Arbeiten ermöglichen. Hinzukommend würden von einer solchen Änderung die Personengruppen profitieren, die anderweitige Belastungen im Studium erfahren. Hierbei sind unter anderem jene Studierende zu bedenken, die zur Finanzierung ihres Studiums während der vorlesungsfreien Zeit einem Erwerb nachgehen müssen und solche, die Kinder oder pflegebedürftige Angehörigen haben.
Mittelfristig würden durch eine Ermöglichung von Verwaltungspraktika in der Vorlesungszeit, diese zeitlich verteilt und dem aktuellen Rückstau dadurch Abhilfe geleistet werden.
Verpflichtende Verwaltungspraktika
Einige Juristenausbildungsgesetze, beispielhaft jene aus Nordrhein-Westfalen und Thüringen, verpflichten die Studierenden einen Teil der praktischen Studienzeit in der Verwaltung zu absolvieren. Jedoch ist das Erlangen eines Praktikumsplatzes in der Verwaltung meist mit viel Aufwand verbunden. Grund dafür sind die engen gesetzlichen Rahmen, die in einigen Bundesländern, etwa in Niedersachsen, Verwaltungspraktika nur in öffentlich-rechtlich organisierten Verwaltungsbehörden zulassen und dadurch Bewerbungen einer langen Vorlaufzeit bedingen. Hierdurch entsteht bei einer hohen Zahl an Studierenden und geringer Anzahl an Praktikumsplätzen ein Rückstau, der wiederum zur Verlängerung der Studienzeit führt. Jener wurde durch pandemiebedingte Ausfälle nur erhöht, weswegen aktuell die Nachfrage an Verwaltungspraktika das derzeitige Angebot übersteigt. Statt einfache Mathematik zu betreiben und die Studierenden zu entlasten, wie dies in Hamburg der Fall ist, werden Härtefallregelungen abgelehnt und Studierende allein gelassen. Ein Problem, dass man nicht sehen möchte, verschwindet aber nicht durch die Ignoranz einiger Mitverantwortlicher. Vielmehr sind verpflichtende Verwaltungspraktika zugunsten einer vollen Wahlfreiheit abzuschaffen.
Eine weitgehende Flexibilisierung der Regelungen zur praktischen Studienzeit ist daher wünschenswert. Dies ist unter anderem bereits in Berlin und Baden-Württemberg Praxis.
Mittelfristig würden durch eine Ermöglichung von Verwaltungspraktika in der Vorlesungszeit, diese zeitlich verteilt und dem aktuellen Rückstau dadurch Abhilfe geleistet werden.
Ferner fordern wir die Justizprüfungsämter und Verwaltungen dazu auf, unter den gegebenen Rechtsgrundlagen den Zugang und die Durchführung von Verwaltungspraktika zu ermöglichen und weiter zu erleichtern. Dazu gehört aus unserer Sicht insbesondere das Zurverfügungstellen von ausreichend Praktikumsplätzen in den landeseigenen Verwaltungen in der vorlesungsfreien Zeit, die Ermöglichung von mobilem Arbeiten im Praktikum und die Ausstattung mit der notwendigen Soft- und Hardware. Eine weiterhin qualitativ angemessene Betreuung durch Volljurist:innen sollte dabei selbstverständlich sein. Wir weisen ebenso darauf hin, dass die teils extrem langen Vorlaufzeiten für Bewerbungen die Studienplanung deutlich erschweren; bürokratischere und langwierige Bewerbungsprozesse müssen künftig der Vergangenheit angehören.
In Anbetracht der bereits ohnehin dauernden und kräftezehrenden juristischen Ausbildung erachten wir die ausgeführten Punkte und deren Abhilfe für signifikant und diskussionswürdig. Des Weiteren würde eine dahingehende Entlastung den psychischen Druck im Jurastudium, den Studierende durch die unter anderem mangelnde Flexibilität täglich widerfahren, weiter senken.
Gerne möchten wir dahingehend den Diskurs anregen und freuen uns über einen Austausch.