02. November 2022
Das „Jodeldiplom“, „ein wertvoller juristischer Abschluss“, ja sogar „ein Standortvorteil“? – Die Debatte um eine Einführung des integrierten Bachelors in das deutsche Jurastudium ist nicht zuletzt nach der Vielzahl von Artikeln, Podcasts und unzähligen Diskussionsbeiträgen auf Twitter und LinkedIn in aller Munde – und das nicht nur in der juristischen Blase. Und doch, mehr und mehr Bundesländer und Universitäten führen den integrierten juristischen Bachelor ein: In Nordrhein-Westfalen, Schleswig- Holstein und neuerdings Niedersachsen wurde der integrierte LL.B. in den jeweiligen Koalitionsverträgen angekündigt und an den Universitäten Hamburg, Bremen und Leipzig wird er in den nächsten Jahren eingeführt. An den vier Fakultäten Berlins und Brandenburgs funktioniert das Modell bereits reibungslos. Dass eine Beschlussvorlage des Landes Hessen über die bundesweite Einführung des integrierten Bachelors nun auf der Herbsttagung der Justizminster:innenkonferenz am 10. November 2022 in München zur Abstimmung steht, ist eine große Chance. Der BRF wirbt im Namen der über 110.000 Jurastudierenden, die er repräsentiert, bei den Justizminister:innen der Länder um Zustimmung, um den Bachelor, diesen „Wegweiser in Richtung Reform“, endlich bundesweit umsetzen zu können.
Der integrierte Bachelor reduziert den enormen Druck, der auf den Studierenden lastet, und ermöglicht alternative Studienbiographien. Laut einer Umfrage des BRF unter den Absolvent:innen der ersten juristischen Prüfung im Jahr 2020 empfinden über 55 % der befragten Studierenden den Prüfungsdruck im Vorfeld des Staatsexamens als extrem hoch. 74 % aller Befragten schätzen davon ausgehend ein, dass der integrierte Bachelor den Prüfungsdruck reduzieren würde. Der BRF fordert bereits seit Jahren aus diesem Grund die Einführung des LL.B. an allen deutschen juristischen Fakultäten, zuletzt in seinem 5-Punkte-Plan anlässlich der Bundestagswahl 2021. Der integrierte Bachelor setzt dem „Alles oder nichts“-Charakter des Staatsexamens ein Ende und gibt den Studierenden die Sicherheit, bei einem Scheitern nicht auf das Abitur zurückzufallen und dass ihre während des Studiums erbrachten Leistungen ebenfalls honoriert werden.
Der LL.B., der in das klassische Jurastudium mit Studienziel Staatsexamen integriert werden soll, bietet darüber hinaus die Chance, dass andere Studienbiographien abseits der klassischen juristischen Bildungswege ermöglicht werden. Studierende können, aufbauend auf ihren im Jurastudium erworbenen Kenntnissen, mit ihrem erworbenen Bachelor-Abschluss Masterstudiengänge, beispielweise in Wirtschaftswissenschaften oder Psychologie, besuchen und stehen dem Arbeitsmarkt mit interdisziplinären Qualifikationen zur Verfügung. Späte Studienabbrüche, beispielsweise im 7.– 10. Semester, die so oft im Jurastudium vorkommen, können so vermieden werden. Nichtsdestotrotz bleibt die erste juristische Staatsprüfung und die Befähigung zum Richter:innenamt primäres Ziel der juristischen Ausbildung. Die „klassischen“ juristischen Berufe bedürfen schließlich nach wie vor zweier Staatsexamina. Dass dies die Studierenden auch nach wie vor so sehen, beweist die Absolvent:innenbefragung von 2020, laut der 95 % sich trotz bestandenem LL.B. zur Ersten Juristischen Prüfung melden würden. Es wird also niemandem etwas genommen, noch die juristische Ausbildung in Deutschland in Frage gestellt. Der Bachelor erhöht schlichtweg die Attraktivität der Ausbildung.
Der Jurist:innenmangel ist in aller Munde. Eine attraktivere Ausbildung zu schaffen, sollte im Interesse aller Bundesländer sein. Ein integrierter Bachelor würde dem ebenfalls abhelfen: Ein juristischer Abschluss bereits nach dem dritten Studienjahr erleichtert den Zugang für viele Menschen, die sich ein mindestens fünfjähriges Jurastudium vielleicht nicht zutrauen, sei es aus finanziellen Gründen oder fehlendem Selbstbewusstsein. Ein schneller verfügbarer Abschluss zieht mehr interessierte Studierende an und hält sie bestenfalls dann bis hin zum Examen. So könnte auch die Diversität im juristischen Studium gesteigert werden, sodass in Zukunft die gesellschaftliche Realität abgebildet wird. Kurzum, ein Bachelor bietet vielfältige Vorteile und stärkt das Jurastudium als Garant rechtstaatlichen Nachwuchses für die Zukunft.
Der BRF fordert daher alle Justizminster:innen der Länder auf, der Beschlussvorlage Hessens zuzustimmen. „Nachdem bereits einige Bundesländer den integrierten Bachelor im Jurastudium eingeführt haben oder ihn konkret in den nächsten Jahren planen, wird das Angebot dieses Abschlusses in den nächsten Jahren zur Standortfrage bei der Wahl des Studienortes“, prognostiziert Jonathan Franz, Vorsitzender des BRF. Weiter: „Es sollte daher im Interesse aller Bundesländer sein, sich auf eine einheitliche Zustimmung zum integrierten Bachelor zu einigen, sodass das Jurastudium und die Reformbemühungen nicht insgesamt geschwächt werden.“ Tom Graßer, stellvertretender Vorsitzender, ergänzt: „Die Bundesländer sollten jedoch bei der Entscheidung für den integrierten Bachelor beachten, dass sie insbesondere die hochschulrechtlichen Voraussetzungen schaffen, die dieses Modell ermöglichen. Mit einer schnellen Umsetzung des integrierten LL.B. können sich alle Beteiligten bald den weiteren notwendigen Reformüberlegungen zuwenden und die Attraktivität des Studiums weiter steigern.“
Der BRF wird sich in jedem Fall konstruktiv in den weiteren Prozess einbringen und alle Bundesländer und Fakultäten bei der konkreten Umsetzung und Einführung des Bachelors unterstützen. So arbeiten wir an Informationsmaterialien und Vernetzungsangeboten zu den Universitäten, die den integrierten LL.B. bereits anbieten. Diese möchten wir allen Interessierten bald zur Verfügung stellen.
Wir wünschen den Justizminister:innen produktive Beratungen auf der JuMiKo-Herbsttagung und erhoffen uns ein positives Signal für die Zukunftsfähigkeit des Jurastudiums mit dem Bekenntnis zur bundesweiten Einführung des integrierten Bachelors im Jurastudium. Die Studierenden werden es Ihnen danken!